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Sie sind hier: Kapellenverein Ensmannsreut e.V. * Chronik der Marienkapelle von Ensmannsreut        



Chronik der Marienkapelle bei Ensmannsreut ( Einweihung am 3.5.1998)


Die Marienkapelle bei Ensmannsreut


Ein wesentliches Element barocker Volksfrömmigkeit war die Stiftung von Kapellen, von Marter- oder Bildsäulen in der Flur, kleinen Andachtsstätten, die oft auch Ziele von Prozessionen wurden und sich mitunter zu Wallfahrtsorten entwickelten. So hatten auch einige der 10 Bauern im Dorf Ensmannsreut in der Pfarrei Waldkirchen gegen Ende des 17.Jahrhunderts "verlöbdt und versprochen, an dem Khürchweg durch ihre Traidtfelder ein gemauerte Figur oder Martersäul setzen und aufrichten zu lassen, damit vorbeygehende disto ehender zuer Andacht bewegt wurden, auch der allmächtige Gott ihre liebe Feldfrücht vor allem schädlichen Ungwitter allergnädigst behüetten wolle..." Dir Verwirklichung dieses Vorhabens verzögerte sich aus unbekannten Gründen – und die Bauern starben. Da sahen Jahre später ihre Nachkommen "zur Zeitten nächtlicher weil an diesem Kürchweg etliche Liechter, zuweilen zway, auchwol drey Liechtl auf und abgehen und alldort, wo die Martersäul hette sollen hinkhomen, widerumb verschwinden". Das erschien ihnen als eine Mahnung der Verstorbenen, die versprochene Martersäule zu bauen. Die Ensmannsreuter wandten sich an ihren Pfarrherrn Sebastian Bayrst in Waldkirchen, der, ihren Wunsch befürwortend, am 25. Januar 1708 den Passauer Fürstbischof als geistige und weltliche Obrigkeit um die Erlaubnis ersuchte, neben dem alten Kirchweg von Ensmannsreut nach Waldkirchen diese kleine Andachtsstätte zu erbauen. Am 22. März 1708 gab Fürstbischof Johann Philipp Graf von Lamberg die Genehmigung zur Errichtung einer "Veldt-Figur oder von Gemäuer an offenen Kürchweg und ihren Traydt-Gründen", jedoch ohne "Stokh oder Opferpixen". Die Ensmannsreuter bauten dann aber nicht eine Marter- oder Bildsäule, sondern eine kleine Kapelle, in der sie eine hölzerne Marienfigur, eine Kopie der "Schwarzen Muttergottes" von Altötting, aufstellten und ihre Andachten verrichteten. Diese "klaine Feldt-Capeln, darinnen ain ausgeschniztes Bildnuß, Mariae Öetting vorstellent, bey welcher auch die Dorff-Leut alle Samstag den Rosenkranz abzubetten", war schon nach 40 Jahren baufällig. Der zuständige Pfarrer, Dekan Johannes Antonius Loraghi, Waldkirchens bedeutendster Pfarrherr (1746-1779), unter dem die Kirchen und Kapellen des Marktes und seines Umlandes eine bemerkenswert qualitätvolle Neugestaltung erfuhren, nahm sich damals auch der Feldkapelle bei Ensmannsreut an: Im Namen der Dorfgemeinde bat er den Fürstbischof Joseph Dominikus Graf von Lamberg um die Bewilligung, die Kapelle neu und etwas größer aufbauen zu lassen, wozu die Ensmannsreuter den Grund und das Geld zu geben und auch die künftige Erhaltung zu übernehmen versprachen. Der Bischof aber, allen "Nebenkirchen" abhold, genehmigte am 5. Juni 1747 "auf der Gemeinde aigene Unkosten, mithin ohne Entgelt oder Nachtheil der Muetter- oder Filial-Kirchen" nur eine Reparierung der Kapelle, die nach seinem Willen "in statu quo und ohne Verweitherung" bleiben sollte. Der beauftragte, kunstbeflissene Dekan Loraghi war enttäuscht, ließ aber die Kapelle instand setzen und im Inneren mit Fresken schmücken, die möglicherweise der aus Salzburg stammende, damals im Auftrag Loraghis in Waldkirchen tätige Maler Johann Matthias Siler schuf. Der granitene Türsturz der Kapelle zeigt noch die Jahreszahl 1749, das Jahr der Fertigstellung. Vermutlich noch zu Zeiten Dekan Loraghis, der in seiner großen Pfarrei die Verehrung des "Gegeißelten Heilands in der Wies" begründete, sicher aber vor 1794, kam denn auch eine hölzerne Kopie des Gnadenbildes in der Wieskirche bei Steingaden in die Ensmannsreuter Flurkapelle, die sich damals zu einer lokalen Wallfahrtsstätte entwickelte. Bei der amtlichen Grundaufnahme im Jahre 1840 erklärte der Gemeindeausschuß der Landgemeinde Böhmzwiesel mit seinem Vorstand Mathias Kanamüller die im südlichen Teil des großen Kirchenfeldes auf dem "Steinbuckel" stehende Kapelle als "ludeigenen", also freien, "unfürdenklichen Besitz" der aus 10 Bauern bestehenden Dorfgemeinde Ensmannsreut. Seit 1930 wurden in der Flurkapelle auch die Maiandachten abgehalten. Der kleine, südlich des Dorfes Ensmannsreut schön in der Landschaft gelegene Steinbau mit seinen spätbarocken, wiederholt übermalten Fresken, darstellend links die Heiligen Antonius von Padua, Stephanus und Sebastian, rechts Johannes von Nepomuk und Florian, an der Decke die Krönung Mariens, wurde mehrmals, zuletzt unter dem Böhmzwieseler Pfarrer Karl Grasser 1955, oberflächlich ausgebessert. Um die Erhaltung der Kapelle nahmen sich jahrzehntelang die Familien Alois Ammerl und Josef Parockinger in Ensmannsreut an. Die Kapelle enthielt damals in einer oben von Muschelwerk umrahmten, quergeteilten Nische zwei derbe, wohl noch aus dem 18. Jahrhundert stammende, jedoch stark übermalte Holzfiguren: oben die Himmelskönigin von Altötting und unten den Heiland an der Geißelsäule, den sogenannten Wies-Christus. An den Wänden hingen zahlreiche, auch volks- und trachtenkundlich bedeutsame Votivbilder auf Holz, die ältesten datiert 1794, 1798 und 1804. Den kleinen Stahlstichkreuzweg und den Opferstockstiftete um 1955 Maria Ambros von Waldkirchen - Bahnhof. Leider wurden im Sommer 1975 die alte Marienfigur sowie die Votivtafeln (mit Ausnahme der einen von 1804) aus der Kapelle gestohlen. Die älteste, jetzt verschollene Votivtafel von 1794 (im Wolfsteiner Landkreisbuch von 1968 noch farblicha bgebildet) zeigte die an einem Krankenlager betende neunköpfige Familiedes Votanten in bäuerlicher Tracht, darüber die Darstellungen der Gottesmutter von Altötting und des Gegeißelten Heilands von der Wies. Nachdem die Flurkapelle schwere Bauschäden zeigte und doch als Andachtsstätte und Kulturdenkmal erhalten werden sollte, entschloss sich der 1994 gegründete, ursprünglich nur den Neubau einer Dorfkapelle anstrebende Kapellenverein von Ensmannsreut unter dem Vorsitz von Ernst Stockinger zu einer umfassenden Sanierung und Restaurierung. Über 75.000, -- DM mussten – neben den vielen Eigenleistungen – bar aufgebracht werden. Mit Hilfe von namhaften Zuschüssen konnte 1997 dank des Einsatzes der Ensmannsreuter die barocke Flurkapelle gerettet und von dem Restauratoren - Ehepaar Bernhard und Ludwina Kellhammer aus Kellberg wiederhergestellt werden, wobei sie auch anstelle des jüngeren Ziegeldaches wieder ein Schindeldach erhielt. Daß die Ensmannsreuter Kapelle (entgegen jetzigen Pressemeldungen) glücklicherweise nicht die einzige Barockkapelle im Landkreis Freyung - Grafenau ist (erinnert sei hier nur an die Karolikapelle in Waldkirchen, die St. Koloman - Kapelle bei Exenbach, die Wieskapelle bei Wollaberg oder die Kapellen in Unterseilberg und Schwendreut) mindert nicht ihren Wert als Denkmal barocker Volksfrömmigkeit.



Quellen und Literatur


Archiv des Bistums Passau, Ordinariatsarchiv, Pfarrei Waldkirchen I/34 – Pfarrarchiv Waldkirchen, Akten I/9 – Vermessungsamt Freyung, Liquidationsprotokolle der Gemeinde Böhmzwiesel: Ensmannsreut – Stadtarchiv Waldkirchen, Sammlung Ensmannsreut: Baubeschreibung der Flurkapelle von Paul Praxl, 1965. Anton Prandstätter, Durch Waldkirchensalte Zeit. Ein Heimatbuch, Waldkirchen 1925, S. 296: Kapelle inEnsmannsreut (fehlerhaft) – Alfred Fuchs, Dekan Johannes Antonius Loraghiund seine Verwandten in Waldkirchen, Waldkirchen (1964) – Anton Neubauer, Volkstum, in: Der Landkreis Wolfstein, Wolfstein 1968, S. 202-203 (EnsmannsreuterVotivtafel von 1794) – Alfred Fuchs, Maler und Bildhauer in Waldkirchen,in: Die Stadt Waldkirchen, Waldkirchen 1972, S. 118: Johann Matthias Siler – Handbuch des Bistums Passau, Stand vom 1. August 1981, Passau, S. 797: Dorfkapelle bei Ensmannsreut (mit falschem Baujahr 1743) – Passauer NeuePresse, Ausgabe FW, Nr. 191 vom 21.08.1997, Nr. 276 vom 29.11.1997. Mündige Mitteilungen verdanke ich Frau Frieda Ammerl aus Ensmannsreut, jetzt Hintereben, und Herrn Josef Parockinger sen. In Ensmannsreut, die beide, ebenso wie schon ihre Eltern, die Kapelle seit langer Zeit betreuten. Dankbar für Auskünfte bin ich auch den Herren Bernhard Kellhammer, Akad. Maler und freiberuflicher Restaurator in Kellberg. Josef Probst in Ensmannsreut, Ernst Stockinger, Vorsitzenden des Kapellenvereins Ensmannsreut, sowie Freund Alfred Fuchs, Heimatforscher in Waldkirchen.


Paul Praxl, Kreisarchiv Freyung-Grafenau, 1998